In den fruchtbaren Ebenen Ostkroatiens, wo Donau und Drau sich durch Eichenwälder und goldene Weizenfelder schlängeln, erreicht eine jahrhundertealte Tradition der Schweinefleischverarbeitung ihren Höhepunkt in einer einzigen, großartigen Spezialität: Kulen. Diese würzige Trockenwurst, ausgesprochen „KU-len“, ist weit mehr als nur ein haltbar gemachtes Fleischprodukt. Sie gilt als prägendes Symbol slawonischer Identität, als Zeichen familiärer Tradition und als eine der technisch anspruchsvollsten Wurstwaren der gesamten europäischen Wurstindustrie.
Die Ursprünge von Kulen reichen Jahrhunderte zurück und wurzeln in der praktischen Notwendigkeit, Schweinefleisch über die langen Wintermonate haltbar zu machen. Slawonische Bauern, die mit hervorragenden Schweinen gesegnet waren, die sich von Eicheln aus den ausgedehnten Eichenhainen der Region ernährten, entwickelten eine Methode, ausgewählte Fleischstücke zu zerkleinern, großzügig mit lokal angebautem Paprika und Knoblauch zu würzen und die Mischung anschließend in Naturdärmen zu räuchern und zu trocknen. Was als ländliche Selbstversorgung begann, entwickelte sich über Generationen zu einer Kunstform, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde, wobei jede Familie ihre besonderen Mischungsverhältnisse und Räuchertechniken mit stillem Stolz hütete.
Dem Paprika gebührt hier besondere Aufmerksamkeit. Die kroatischen Regionen Slawonien und Baranja produzieren ihre eigenen Sorten gemahlenen roten Pfeffers, von mild und süß bis hin zu feurig scharf. Für einen authentischen Kulen ist ein sorgfältiges Gleichgewicht dieser Sorten unerlässlich: genügend Schärfe für ein angenehmes Brennen am Gaumen, ausreichend Süße für einen runden Geschmack und eine tiefe Farbe, die der fertigen Wurst ihr charakteristisches, tiefrotes Inneres verleiht. Dieser paprikabetonte Charakter unterscheidet Kulen von seinen Verwandten in Ungarn, Serbien und anderen Teilen des Balkans, wo es zwar ähnliche Zubereitungen gibt, diese aber andere Gewürzprofile und Reifemethoden aufweisen.
Die Textur einer gut gemachten Kulen verrät die Geduld, die für ihre Herstellung nötig ist. Nach monatelangem, langsamen Trocknen an kühlen, gut belüfteten Orten – traditionell auf Dachböden und in Schuppen slawonischer Bauernhäuser – entwickelt die Wurst eine feste, aber dennoch zarte Konsistenz. In dünne Scheiben geschnitten, sollte sie beim Schneiden einen leichten Widerstand bieten, bevor sie sauber nachgibt. Das Fett, das das magere Fleisch durchzieht, erscheint als kleine weiße Pünktchen auf dem roten Grund und verleiht ihm eine seidige Fülle, die den Gaumen umhüllt. Das Raucharoma, das in den ersten Wochen des Kalträucherns über Buchenholz oder Obstbaumzweigen entsteht, bleibt präsent, ist aber nie aufdringlich – eine subtile Note unter der dominanten Paprikanote.
Kulen zu essen ist in Slawonien ein Ritual. Die Wurst darf bei Festen, Feiertagen und Treffen mit Familie und Freunden nicht fehlen. Dünne Scheiben liegen auf Holzbrettern neben knusprigem Brot, eingelegtem Gemüse und vielleicht einem Stück frischem Käse. Dazu wird traditionell ein Glas Graševina, der typische Weißwein der Region, oder ein kräftiger Rotwein aus der Gegend gereicht. Die Wurst wird nicht weiter gekocht; sie kommt verzehrfertig auf den Tisch, nachdem sie monatelang gereift ist und dadurch sicher, aromatisch und besonders sättigend geworden ist.
Was Kulen so besonders macht, geht weit über seinen Geschmack hinaus. Die Europäische Union verlieh Slavonski Kulen 2015 den Status einer geschützten geografischen Angabe (g.g.A.) und erkannte damit an, dass authentische Varianten aus bestimmten kroatischen Gespanschaften stammen und nach traditionellen Methoden hergestellt werden müssen. Dieser Schutz bestätigt, was die Slawonier seit Langem wissen: Echter Kulen lässt sich nirgendwo anders zubereiten. Das Klima, die Schweine, der Paprika und das über Generationen gesammelte Wissen tragen alle zu einem Produkt bei, das weit mehr ist als seine einfachen Zutaten.
Für ambitionierte Hobbyköche ist die Herstellung von Kulen eine anspruchsvolle Aufgabe. Der Prozess erfordert hochwertiges Schweinefleisch, geeignete Därme, sorgfältige Temperaturkontrolle und vor allem Geduld, die sich eher in Monaten als in Stunden misst. Doch die Belohnung – eine handgemachte Wurst von bemerkenswerter Geschmacksfülle, die an eine stolze kulinarische Tradition erinnert – ist die Mühe allemal wert.