Die karge Wildnis von Spitzbergen – Heimat des Eisbären – ist fast ebenso berühmt wie abgelegen. Dieser norwegische Archipel (Gesamtfläche ca. 61.022 km²) liegt weit innerhalb des Polarkreises. Spitzbergen ist für seine schneebedeckten Fjorde, 1.700 m hohen Gipfel und endlosen Gletscher berühmt und liegt wirklich am Rande der Natur: Etwa 60 % der Landesfläche sind Eiskappen. Und trotz seiner spektakulären Landschaft wird es, abgesehen von unerschrockenen Reisenden, kaum besucht. Der niederländische Entdecker Willem Barentsz „entdeckte“ hier 1596 Spitzbergen, aber die arktische Grenze begann erst Jahrhunderte später in bescheidenem Maße zu erschließen. Anders als das norwegische Festland war Spitzbergen nie dicht besiedelt: Sein höchster Gipfel (Newtontoppen, 1.717 m) ragt über ein Gebiet hinaus, das einst von Eisbären, Walrossen und Schnee-Eulen bewohnt wurde. Heute leben hier ganzjährig nur etwa 3.000 Menschen (hauptsächlich in Longyearbyen und den beiden russischen Bergbaustädten Barentsburg und Pyramiden). Diese geringe Bevölkerungsdichte spiegelt die ruhige Atmosphäre Spitzbergens wider – es ist ein „wildes“ Reiseziel fernab vom üblichen Tourismus.
Historisches Erbe
Die moderne Geschichte Spitzbergens ist eng mit der Erforschung der Arktis verbunden. Der Archipel tauchte erstmals in mittelalterlichen nordischen Sagen auf (als „Svalbarði“), wurde aber erst nach Barentsz' Reise im Jahr 1596 in größerem Europa bekannt. Im 17. Jahrhundert entstanden Robben- und Walfanglager, und eine Zeit lang stritten sich Besatzungen aus England, den Niederlanden und Dänemark um lukrative Fjorde. Doch bis Ende des 19. Jahrhunderts, als Kohle entdeckt wurde, besiedelte kein Staat Spitzbergen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gründeten norwegische und russische Bergleute die dauerhaften Städte Longyearbyen (gegründet 1906) und Barentsburg. 1920 verlieh die Pariser Friedenskonferenz Norwegen durch den Spitzbergenvertrag, der 1925 in Kraft trat, formell seine Souveränität. Der Vertrag entmilitarisierte zudem die Inseln und garantierte allen Unterzeichnerstaaten gleichen Zugang zu Fischerei- und Mineralrechten. So wurde Spitzbergen zu einem einzigartigen internationalen Raum: Es gilt norwegisches Recht, doch Polen, Italien, China und andere betreiben hier Forschungsstationen. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterhielt die Sowjetunion (später Russland) Siedlungen; tatsächlich arbeiten noch heute Dutzende russischer Bürger in den Kohlebergwerken von Barentsburg und Pyramiden. Trotz all dieser Veränderungen blieb Spitzbergens Wesen arktisch und einsam.
Kulturelles Leben und Kulinarik
Kulturell ist Spitzbergen ein Mosaik arktischer Traditionen ohne einheimische Bevölkerung. Norsk (Norwegisch) ist die Amtssprache, aber in den alten Bergbaustädten wird auch Russisch gesprochen, und Englisch ist eine Lingua Franca unter internationalen Wissenschaftlern. Die Siedler der Region brachten eine raue, überlebenskünstlerische Mentalität mit. So wurde beispielsweise die Hymne „Svalbardkatedralen“ 1948 improvisiert, um das nach dem Winter zurückkehrende Licht zu preisen. Die Gemeinde feiert saisonale Feste: In Longyearbyen findet im Winter PolarJazz statt und im Oktober Dark Season Blues, um die lange dunkle Jahreszeit zu feiern. Die Küche Spitzbergens spiegelt wider, was hier verschifft oder gejagt werden kann: Zu den lokalen Spezialitäten gehören Spitzbergen-Rein (eine winzige Unterart des Rentiers) und arktischer Saibling aus Gletscherflüssen. Sogar das Beerenpflücken (Moltebeeren, Krähenbeeren) erfolgt mit Sorgfalt, da diese Früchte im kurzen Sommer reifen. In der Praxis werden die meisten Lebensmittel aus Norwegen importiert, aber man kann auch Fladenbrot (knuspriges Fladenbrot), herzhafte Lammeintöpfe und in der Stadt im Holzofen gebackene Backwaren probieren. Brennstoff (zum Heizen und für die Essenszubereitung) ist teuer, daher gibt es in manchen Berghütten noch gemeinschaftliche Holzöfen. Ob norwegischer Streifenpolizist oder promovierter Forscher – die Menschen auf Spitzbergen teilen einen tiefen Respekt vor dem unerbittlichen Klima der Insel – eine Einstellung, die eher an Überlebenskampf als an leichtfertigen Tourismus erinnert.
Natürliche und architektonische Highlights
Spitzbergens Naturdenkmäler sind atemberaubend. Es ist eines der nördlichsten bewohnten Gebiete der Welt, mit Mitternachtssonne von Ende April bis Ende August und Polarnacht von Ende Oktober bis Mitte Februar. Nationalparks und Naturschutzgebiete bedecken fast den gesamten Archipel: Sieben Nationalparks und 23 Naturschutzgebiete schützen Fauna und Landschaft. Im Sommer strotzt die Tundra vor Leben: Polarfuchsjunge, Herden kurzbeiniger Spitzbergen-Rentiere und Zehntausende ziehende Seevögel (Eissturmvögel, Dreizehenmöwen). In den eisigen Gewässern wimmelt es von Meeressäugern – Walrosse ruhen sich an den Ufern aus, und Narwale und Belugas schwimmen vor der Küste. Am bekanntesten sind die Eisbären (auf Spitzbergen gibt es etwa 3.000–4.000), die durch das Packeis und die Inseln streifen; Beschilderungen und lokale Gesetze raten Reisenden dringend, sich Wildtieren niemals zu nähern oder sie zu füttern.
Architektonisch spiegeln die Siedlungen ihre Funktion wider.
In Longyearbyen stehen entlang der Hauptstraße bunt bemalte Holzhäuser (ehemalige Bergarbeiterunterkünfte). Zu den Sehenswürdigkeiten zählen die Spitzbergenkirche (die nördlichste Kirche der Welt) und das kleine, informelle Spitzbergenmuseum, in dem die Erforschung der Arktis dokumentiert wird. Im Norden liegt Ny-Ålesund, eine Forschungsgemeinde, in der noch immer eine Lenin-Statue als Reliquie steht. Ganz in der Nähe, im Meerestunnel, liegt der Svalbard Global Seed Vault – ein verstärkter, in den Permafrost gebauter Tresor zum Schutz der weltweiten Nutzpflanzen (für den Zutritt ist jedoch eine Sondergenehmigung erforderlich). Auf der Bäreninsel bietet sich ein kurioser Anblick: eine einzige Wetterhütte und im Sommer vier Wärter, die dort leben, wo der Golfstrom tatsächlich hindurchfließt. Die meisten Reisenden kommen jedoch wegen der Wildnis: Gletscherkreuzfahrten ab Longyearbyen erreichen Gletscherabbruchkanten wie den 10 km breiten Nordenskiöldbreen. Kajakfahren zwischen Eisbergen, Hundeschlittenfahren auf zugefrorenen Lagunen und das Erleben der Aurora Borealis sind die wahren Highlights.
Abseits der ausgetretenen Pfade
Warum fühlt sich Spitzbergen noch immer unentdeckt an? Geographie und Politik sorgen dafür, dass es so bleibt. Die hohe Breite des Archipels (78–80° N) und die arktischen Bedingungen bedeuten, dass nur wenige es dort aushalten können. Nur eine Handvoll Kreuzfahrtschiffe oder Charterflüge kommen jeden Sommer an (insgesamt gibt es jährlich nur Zehntausende ausländische Touristen). Die Regierung von Spitzbergen reguliert den Tourismus streng: Für bestimmte Gebiete sind zum Schutz sensibler Forschungsarbeiten Genehmigungen im Voraus und Führungen erforderlich. Zudem sind die Preise hier sehr hoch (alles muss mit dem Schiff importiert werden), sodass von gelegentlichen Weltreisen abgeraten wird. Insgesamt hat dies Overtourism verhindert. Wenn überhaupt, ist der hohe Norden durch neuartige Mittel zugänglicher geworden: Nordpolexpeditionen starten manchmal von Spitzbergen aus. Und doch bleibt Spitzbergen für die meisten Reisenden ein schwacher weißer Punkt auf der Landkarte – verlockend abgelegen, teuer und in Reiseführern nur oberflächlich beworben. Diese Abgeschiedenheit ist sein Verkaufsargument.
Verantwortungsvolle Erkundung
Ein verantwortungsvoller Besuch auf Spitzbergen ist oberstes Gebot. Alle Reisenden müssen strenge Umweltvorschriften einhalten: Norwegisches Recht verbietet die Einfuhr nichtheimischer Arten (auch Samen) und schreibt Sicherheitsvorkehrungen vor Bären vor. Camping ist in den meisten Gebieten erlaubt, Lagerfeuer sind jedoch außerhalb der dafür vorgesehenen Zonen verboten, um Brände zu vermeiden. Sammeln Sie stattdessen Treibholz. Touristen sollten für Gletscherwanderungen oder Schneemobilfahrten lizenzierte Guides nutzen, die auf Sicherheit und Verhaltensregeln im Umgang mit Wildtieren achten. Hinterlassen Sie keinen Müll: Plastikmüll kann in der Arktis Jahrhunderte überdauern. Auch der CO2-Fußabdruck ist hier ein Thema – viele Unternehmen kompensieren Flüge und fördern den „Last-Chance-Tourismus“. Kurz gesagt: Ein behutsames Vorgehen auf Spitzbergen bedeutet, das fragile polare Ökosystem zu respektieren und die norwegische Sorgfaltspflicht zu wahren, die im Spitzbergen-Vertrag verankert ist.