REISEZIELE, DIE TOURISTEN BISHER NICHT ENTDECKT HABEN

Reiseziele, die Touristen bisher nicht entdeckt haben!

In einer Zeit, in der der Reiz des Reisens häufig Menschenmassen auf die gleichen vielbefahrenen Wege lockt, wird die Suche nach Einsamkeit immer schwieriger. Obwohl berühmte Sehenswürdigkeiten und geschäftige Städte ihren eigenen Reiz haben, ist die schiere Anzahl anderer Besucher oft zu groß. Für diejenigen, die sich nach Ruhe und der Möglichkeit sehnen, in die Schönheit unberührter Landschaften einzutauchen, präsentieren wir eine kuratierte Liste exquisiter Reiseziele, die weitgehend unentdeckt bleiben. Hier finden Sie ruhige Oasen, in denen das Flüstern der Umgebung den Lärm der Menschen übertönt.

Folegandros, Griechenland: Ein verstecktes Juwel der Kykladen

Folegrandos-Griechenland

Chora, der Hauptort von Folegandros, liegt auf einer steilen, 200 m hohen Klippe mit Blick auf die Ägäis. Diese windgepeitschte Kykladeninsel – etwa 31 km² groß und mit nur wenigen hundert Einwohnern, die das ganze Jahr über hier leben – ist selbst während des griechischen Tourismusbooms weitgehend unter dem Radar geblieben. Ihre weiß getünchten Häuser, Kirchen mit blauen Kuppeln und engen Saumpfade verströmen eine Atmosphäre zeitloser Gelassenheit. Unter ihrer Postkartenschönheit verbirgt sich eine reiche Geschichte: Antike dorische Siedler gründeten im 5. Jahrhundert v. Chr. die Polis Pholegandros und viel später, im Jahr 1207, fiel die Insel unter venezianische Herrschaft. Admiral Marco Sanudo eroberte Pholegandros 1207 und hielt es für Venedig, bis 1566 die osmanischen Türken die Kontrolle übernahmen. Die Griechen eroberten Folegandros erst während des Unabhängigkeitskrieges in den 1820er Jahren zurück und seither ist es Teil des modernen Griechenlands geblieben.

Historisches Erbe

Die Geschichte von Folegandros entfaltet sich in einer Reihe ereignisreicher Epochen. Unter venezianischer und später osmanischer Herrschaft boten die zerklüfteten Klippen und abgeschiedenen Buchten der Insel Zuflucht und Herausforderung zugleich. Tatsächlich war das Dorf Chora ursprünglich als Kastro oder Burg auf einem steilen Vorgebirge befestigt – eine natürliche Festung aus dem Mittelalter. Auf dem Steilhang thront die alte venezianische Burg (1210 wiederaufgebaut), von der jedoch nur wenige Ruinen erhalten sind. Im 20. Jahrhundert diente Folegandros unter dem Metaxas-Regime als ruhiger Exilort und behielt bis heute seinen rustikalen, eisernen Charakter. Heutige Besucher werden bemerken, dass Folegandros erst 1830 offiziell zu Griechenland gehörte; sein Erbe ist geprägt von Widerstand und Eigenständigkeit.

Kulturlandschaft

Das Leben auf Folegandros ist eng mit der griechischen Inselkultur verbunden. Die Dorfbewohner sprechen Festlandgriechisch (mit kykladischem Akzent) und pflegen alte Traditionen, die nur noch in wenigen Tourismuszentren erhalten sind. Im Mittelpunkt der lokalen Feste steht der orthodoxe Glaube: So zieht beispielsweise das Fest der Himmelfahrt der Jungfrau Maria (Panagia) am 15. August in Chora die Inselbewohner zu Mitternachtsliturgien und Tänzen an. Kulinarische Traditionen drehen sich um ländliche und maritime Spezialitäten. Selbstgebackenes Brot wird hier gefeiert: Familien backen noch immer einmal pro Woche große Holzofenbrote, darunter spezielle Pavli-Brote mit Kürbisfüllung. Pikante Käsekuchen sind eine Spezialität von Folegandros – Sourotenia (Zwiebel-Feta-Kuchen) und Manouropita (Manouri-Käsekuchen) werden aus lokalem Ziegen- und Schafskäse hergestellt. Frische Meeresfrüchte – gegrillter Oktopus, Kalmare und die berühmten kleinen Hummer der Insel – stehen ebenfalls auf dem Tisch, oft begleitet von handgeernteten Kapern, Oliven, Honig und prickelndem lokalen Wein. Alle lokalen Produkte werden auf der Insel angebaut oder geerntet und spiegeln eine jahrhundertealte bäuerliche Lebensweise wider.

Architektonische und natürliche Highlights

Chora selbst ist architektonisch das Kronjuwel der Insel. Der Platz wird von einem quadratischen Glockenturm (erbaut 1834) und einer hufeisenförmigen Festungsmauer (Kastro) dominiert, hinter der sich Landhäuser aus dem 16. Jahrhundert gruppieren. Von hier aus blickt man über niedrige weiße Häuser hinweg auf das azurblaue Meer hinunter. Die zerklüftete Landschaft wird von steilen Klippen, Meereshöhlen und versteckten Buchten unterbrochen: Folegandros ist etwa 31 km² groß und das Innere ist fast vollständig wild und unbebaut. Zu den beliebten Stränden zählen Agali und Livadaki (mit feinem Sand) sowie der entlegenere Strand von Katergo, der nur zu Fuß oder mit dem Boot erreichbar ist. Das 200 m hohe Kalksteinvorgebirge von Katergo schützt eine versunkene Bucht, die häufig von Freitauchern besucht wird. Die Strände und Buchten der Insel sind oft weniger als 20 m breit, ein Beweis für die dramatische Erosion dieser „eisernen“ Insel. Im Landesinneren führen Wanderwege zu alten Kapellen (wie der Panagia aus dem 16. Jahrhundert) und Salzpfannen in kleinen Sümpfen. Der Gesamteindruck ist geprägt von einer unberührten Kykladenlandschaft: blau, weiß und ockerfarben, fast menschenleer in der Morgen- oder Abenddämmerung.

Abseits der ausgetretenen Pfade

Der Reiz von Folegandros liegt gerade in seiner Unbekanntheit. Anders als das nahegelegene Santorin oder Mykonos hat die Insel keinen Flughafen und nur wenige Fähren täglich, sodass Besucher mit der Absicht anreisen, die Insel zu erkunden. Das Ergebnis ist eine ruhige Inselatmosphäre ohne Menschenmassen. Ihren abgeschiedenen Charakter verdankt sie zum Teil der steilen Küstenlinie (große Kreuzfahrtschiffe können nicht anlegen) und der geringen Größe der Insel. Reiseführer bemerken oft die Atmosphäre eines „griechischen Dorfes“ von Folegandros – es gibt nur drei Weiler (Chora, Ano Meria, Karavostasis) und eine einzige Hauptstraße, die sich entlang der Küste windet. Aus diesen Gründen ist Folegandros weit weniger überlaufen als andere Kykladeninseln. Selbst im Sommer findet man hier keine Hochhäuser oder Resortketten; stattdessen familiengeführte Pensionen, Tavernen und Kunsthandwerksläden. Dieser Status als verstecktes Juwel verleiht der Insel das Gefühl, das „alte Griechenland“ zu entdecken, wo man noch immer das Bimmeln der Ziegenglocken und die Meeresbrise bei Sonnenuntergang hört.

Verantwortungsvolle Erkundung

Besucher von Folegandros werden gebeten, bewusst zu reisen. Die Unterkünfte sind klein und begrenzt, daher unterstützen Sie mit einer frühzeitigen Buchung lokale Unternehmen. Erkunden Sie die Insel nach Möglichkeit zu Fuß oder mit dem Fahrrad, da die wenigen Autos auf der Insel die engen Straßen und die knappe Süßwasserversorgung bereits belasten. An den Stränden und in den Dörfern gilt: Hinterlassen Sie keine Spuren: Nehmen Sie Ihren Müll mit und vermeiden Sie es, die Tierwelt zu stören. Genießen Sie lokale Produkte und Weine und unterstützen Sie so die Bauern und Handwerker der Insel. Bleiben Sie beim Wandern auf markierten Wegen, um Erosion empfindlicher Böden zu vermeiden. Und schließlich: Kleiden Sie sich in den alten Kirchen und Dörfern bescheiden und sprechen Sie aus Respekt vor der Tradition leise. Durch die Einhaltung dieser einfachen Regeln können Touristen dazu beitragen, die Kultur von Folegandros zu erhalten und das Ökosystem zu florieren.

Spitzbergen, Norwegen: Ein einsamer Hafen in der Arktis

Spitzbergen-Norwegen

Die karge Wildnis von Spitzbergen – Heimat des Eisbären – ist fast ebenso berühmt wie abgelegen. Dieser norwegische Archipel (Gesamtfläche ca. 61.022 km²) liegt weit innerhalb des Polarkreises. Spitzbergen ist für seine schneebedeckten Fjorde, 1.700 m hohen Gipfel und endlosen Gletscher berühmt und liegt wirklich am Rande der Natur: Etwa 60 % der Landesfläche sind Eiskappen. Und trotz seiner spektakulären Landschaft wird es, abgesehen von unerschrockenen Reisenden, kaum besucht. Der niederländische Entdecker Willem Barentsz „entdeckte“ hier 1596 Spitzbergen, aber die arktische Grenze begann erst Jahrhunderte später in bescheidenem Maße zu erschließen. Anders als das norwegische Festland war Spitzbergen nie dicht besiedelt: Sein höchster Gipfel (Newtontoppen, 1.717 m) ragt über ein Gebiet hinaus, das einst von Eisbären, Walrossen und Schnee-Eulen bewohnt wurde. Heute leben hier ganzjährig nur etwa 3.000 Menschen (hauptsächlich in Longyearbyen und den beiden russischen Bergbaustädten Barentsburg und Pyramiden). Diese geringe Bevölkerungsdichte spiegelt die ruhige Atmosphäre Spitzbergens wider – es ist ein „wildes“ Reiseziel fernab vom üblichen Tourismus.

Historisches Erbe

Die moderne Geschichte Spitzbergens ist eng mit der Erforschung der Arktis verbunden. Der Archipel tauchte erstmals in mittelalterlichen nordischen Sagen auf (als „Svalbarði“), wurde aber erst nach Barentsz' Reise im Jahr 1596 in größerem Europa bekannt. Im 17. Jahrhundert entstanden Robben- und Walfanglager, und eine Zeit lang stritten sich Besatzungen aus England, den Niederlanden und Dänemark um lukrative Fjorde. Doch bis Ende des 19. Jahrhunderts, als Kohle entdeckt wurde, besiedelte kein Staat Spitzbergen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gründeten norwegische und russische Bergleute die dauerhaften Städte Longyearbyen (gegründet 1906) und Barentsburg. 1920 verlieh die Pariser Friedenskonferenz Norwegen durch den Spitzbergenvertrag, der 1925 in Kraft trat, formell seine Souveränität. Der Vertrag entmilitarisierte zudem die Inseln und garantierte allen Unterzeichnerstaaten gleichen Zugang zu Fischerei- und Mineralrechten. So wurde Spitzbergen zu einem einzigartigen internationalen Raum: Es gilt norwegisches Recht, doch Polen, Italien, China und andere betreiben hier Forschungsstationen. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterhielt die Sowjetunion (später Russland) Siedlungen; tatsächlich arbeiten noch heute Dutzende russischer Bürger in den Kohlebergwerken von Barentsburg und Pyramiden. Trotz all dieser Veränderungen blieb Spitzbergens Wesen arktisch und einsam.

Kulturelles Leben und Kulinarik

Kulturell ist Spitzbergen ein Mosaik arktischer Traditionen ohne einheimische Bevölkerung. Norsk (Norwegisch) ist die Amtssprache, aber in den alten Bergbaustädten wird auch Russisch gesprochen, und Englisch ist eine Lingua Franca unter internationalen Wissenschaftlern. Die Siedler der Region brachten eine raue, überlebenskünstlerische Mentalität mit. So wurde beispielsweise die Hymne „Svalbardkatedralen“ 1948 improvisiert, um das nach dem Winter zurückkehrende Licht zu preisen. Die Gemeinde feiert saisonale Feste: In Longyearbyen findet im Winter PolarJazz statt und im Oktober Dark Season Blues, um die lange dunkle Jahreszeit zu feiern. Die Küche Spitzbergens spiegelt wider, was hier verschifft oder gejagt werden kann: Zu den lokalen Spezialitäten gehören Spitzbergen-Rein (eine winzige Unterart des Rentiers) und arktischer Saibling aus Gletscherflüssen. Sogar das Beerenpflücken (Moltebeeren, Krähenbeeren) erfolgt mit Sorgfalt, da diese Früchte im kurzen Sommer reifen. In der Praxis werden die meisten Lebensmittel aus Norwegen importiert, aber man kann auch Fladenbrot (knuspriges Fladenbrot), herzhafte Lammeintöpfe und in der Stadt im Holzofen gebackene Backwaren probieren. Brennstoff (zum Heizen und für die Essenszubereitung) ist teuer, daher gibt es in manchen Berghütten noch gemeinschaftliche Holzöfen. Ob norwegischer Streifenpolizist oder promovierter Forscher – die Menschen auf Spitzbergen teilen einen tiefen Respekt vor dem unerbittlichen Klima der Insel – eine Einstellung, die eher an Überlebenskampf als an leichtfertigen Tourismus erinnert.

Natürliche und architektonische Highlights

Spitzbergens Naturdenkmäler sind atemberaubend. Es ist eines der nördlichsten bewohnten Gebiete der Welt, mit Mitternachtssonne von Ende April bis Ende August und Polarnacht von Ende Oktober bis Mitte Februar. Nationalparks und Naturschutzgebiete bedecken fast den gesamten Archipel: Sieben Nationalparks und 23 Naturschutzgebiete schützen Fauna und Landschaft. Im Sommer strotzt die Tundra vor Leben: Polarfuchsjunge, Herden kurzbeiniger Spitzbergen-Rentiere und Zehntausende ziehende Seevögel (Eissturmvögel, Dreizehenmöwen). In den eisigen Gewässern wimmelt es von Meeressäugern – Walrosse ruhen sich an den Ufern aus, und Narwale und Belugas schwimmen vor der Küste. Am bekanntesten sind die Eisbären (auf Spitzbergen gibt es etwa 3.000–4.000), die durch das Packeis und die Inseln streifen; Beschilderungen und lokale Gesetze raten Reisenden dringend, sich Wildtieren niemals zu nähern oder sie zu füttern.

Architektonisch spiegeln die Siedlungen ihre Funktion wider.

In Longyearbyen stehen entlang der Hauptstraße bunt bemalte Holzhäuser (ehemalige Bergarbeiterunterkünfte). Zu den Sehenswürdigkeiten zählen die Spitzbergenkirche (die nördlichste Kirche der Welt) und das kleine, informelle Spitzbergenmuseum, in dem die Erforschung der Arktis dokumentiert wird. Im Norden liegt Ny-Ålesund, eine Forschungsgemeinde, in der noch immer eine Lenin-Statue als Reliquie steht. Ganz in der Nähe, im Meerestunnel, liegt der Svalbard Global Seed Vault – ein verstärkter, in den Permafrost gebauter Tresor zum Schutz der weltweiten Nutzpflanzen (für den Zutritt ist jedoch eine Sondergenehmigung erforderlich). Auf der Bäreninsel bietet sich ein kurioser Anblick: eine einzige Wetterhütte und im Sommer vier Wärter, die dort leben, wo der Golfstrom tatsächlich hindurchfließt. Die meisten Reisenden kommen jedoch wegen der Wildnis: Gletscherkreuzfahrten ab Longyearbyen erreichen Gletscherabbruchkanten wie den 10 km breiten Nordenskiöldbreen. Kajakfahren zwischen Eisbergen, Hundeschlittenfahren auf zugefrorenen Lagunen und das Erleben der Aurora Borealis sind die wahren Highlights.

Abseits der ausgetretenen Pfade

Warum fühlt sich Spitzbergen noch immer unentdeckt an? Geographie und Politik sorgen dafür, dass es so bleibt. Die hohe Breite des Archipels (78–80° N) und die arktischen Bedingungen bedeuten, dass nur wenige es dort aushalten können. Nur eine Handvoll Kreuzfahrtschiffe oder Charterflüge kommen jeden Sommer an (insgesamt gibt es jährlich nur Zehntausende ausländische Touristen). Die Regierung von Spitzbergen reguliert den Tourismus streng: Für bestimmte Gebiete sind zum Schutz sensibler Forschungsarbeiten Genehmigungen im Voraus und Führungen erforderlich. Zudem sind die Preise hier sehr hoch (alles muss mit dem Schiff importiert werden), sodass von gelegentlichen Weltreisen abgeraten wird. Insgesamt hat dies Overtourism verhindert. Wenn überhaupt, ist der hohe Norden durch neuartige Mittel zugänglicher geworden: Nordpolexpeditionen starten manchmal von Spitzbergen aus. Und doch bleibt Spitzbergen für die meisten Reisenden ein schwacher weißer Punkt auf der Landkarte – verlockend abgelegen, teuer und in Reiseführern nur oberflächlich beworben. Diese Abgeschiedenheit ist sein Verkaufsargument.

Verantwortungsvolle Erkundung

Ein verantwortungsvoller Besuch auf Spitzbergen ist oberstes Gebot. Alle Reisenden müssen strenge Umweltvorschriften einhalten: Norwegisches Recht verbietet die Einfuhr nichtheimischer Arten (auch Samen) und schreibt Sicherheitsvorkehrungen vor Bären vor. Camping ist in den meisten Gebieten erlaubt, Lagerfeuer sind jedoch außerhalb der dafür vorgesehenen Zonen verboten, um Brände zu vermeiden. Sammeln Sie stattdessen Treibholz. Touristen sollten für Gletscherwanderungen oder Schneemobilfahrten lizenzierte Guides nutzen, die auf Sicherheit und Verhaltensregeln im Umgang mit Wildtieren achten. Hinterlassen Sie keinen Müll: Plastikmüll kann in der Arktis Jahrhunderte überdauern. Auch der CO2-Fußabdruck ist hier ein Thema – viele Unternehmen kompensieren Flüge und fördern den „Last-Chance-Tourismus“. Kurz gesagt: Ein behutsames Vorgehen auf Spitzbergen bedeutet, das fragile polare Ökosystem zu respektieren und die norwegische Sorgfaltspflicht zu wahren, die im Spitzbergen-Vertrag verankert ist.

Giethoorn, Niederlande: Das bezaubernde „Venedig des Nordens“

Giethoorn-Niederlande

Giethoorns idyllische Kanäle und strohgedeckten Häuser wirken wie eine Szene aus einem Märchen. Dieses Dorf im Norden von Overijssel (Fläche ca. 38,5 km²) ist dafür bekannt, dass es in seinem historischen Kern „keine Straßen“ gibt. Giethoorn wurde im Mittelalter von Torfgräbern gegründet und erstreckt sich über eine Ansammlung kleiner Inseln, die von Wasserstraßen durchzogen sind. Noch heute erfolgt der Transport durch die Altstadt mit hölzernen Stocherkähnen (Flachbodenbooten) oder langsamen, flüsternden Elektrokähnen; Autos können das Kanalnetz einfach nicht befahren. Mit nur etwa 2.800 Einwohnern macht Giethoorn seinem Spitznamen „Venedig des Nordens“ alle Ehre. Im Sommer wimmelt es auf den Kanälen von Ruderern und Picknickern, während Schwäne an blühenden Gärten vorbeigleiten. Doch hinter diesem Postkartenzauber verbirgt sich eine von Natur und Geschichte geprägte Umgebung: Das Dorf entstand durch Torfabbau und große Überschwemmungen und ist vom Nationalpark Weerribben-Wieden umgeben, dem größten Moorgebiet Nordwesteuropas.

Historisches Erbe

Die Geschichte Giethoorns ist in seinen Wasserwegen geschrieben. Der Name des Dorfes soll aus dem 13. Jahrhundert stammen: Lokale Überlieferungen berichten von mittelalterlichen Siedlern, die nach der verheerenden Elisabethflut von 1170 Haufen wilder Ziegenhörner entdeckten und das Gebiet „Geytenhoren“ (Ziegenhorn) nannten, später Giethoorn. Im Laufe der Zeit wurden die Hemmen (Torfmoore) eingedeicht und als Brennstoff genutzt. Im 18. Jahrhundert spülten zwei verheerende Überschwemmungen (1776 und 1825) viele schmale Torfwälle weg und hinterließen durch Wasser getrennte Ansammlungen hochgelegener „Felder“. Für den Abtransport des gestochenen Torfs gruben die Bewohner Kanäle, die heute den Grundriss des Dorfes bestimmen. Im 19. Jahrhundert war Giethoorn eine florierende Torfbauergemeinde; erst nach der Erschöpfung der Torfvorkommen um 1920 begann der Tourismus anzusteigen. 1958 erregte der niederländische Film „Fanfare“, der in Giethoorns Straßen gedreht wurde, landesweite Aufmerksamkeit auf das autofreie Dörfchen. Dieser bescheidene Ruhm wuchs langsam, als ausländische Reisende Giethoorns einzigartiges Erbe entdeckten.

Kulturlandschaft

Die Kultur Giethoorns spiegelt das traditionelle niederländische Provinzleben wider. Die lokale Sprache ist Niederländisch (Overijssels-Dialekt) und das Dorfleben drehte sich einst um die Familienbauernhöfe. Einige Haushalte pflegen noch immer traditionelle Handwerkskunst: Sie decken ihre Dächer mit Schilf und schmücken ihre Häuser mit Holzschnitzereien. Der Kalender wird von saisonalen Veranstaltungen geprägt, beispielsweise einem jährlichen Frühlingsblumenmarkt und einem kleinen Musikfestival auf dem Platz. Die Küche hier ist klassisch niederländisch: Denken Sie an herzhafte Erbsensuppe (Erwtensoep), geräucherten Aal aus den nahegelegenen Gewässern und süße frittierte Poffertjes. Eine verbreitete Leckerei sind Krentenbollen (Rosinenbrötchen) in Bäckereien und während Weihnachtsmärkten verkaufen die Einheimischen Oliebollen (frittierte Krapfen). Da Giethoorn zu Overijssel gehört, stehen auf den Speisekarten lokale Spezialitäten wie Twenter Stroopwafels und Holsteiner Käse. Das Leben in Giethoorn verläuft im Rhythmus seiner Kanäle: friedlich, gemeinschaftlich und im Einklang mit der Natur. Die Einwohner schätzen ihre Ruhe; Wie ein Reiseschriftsteller bemerkte, scherzte Robert Plant einmal, dass sich das Konzert in Giethoorn wilder angefühlt habe als jede Gartenparty, auf der er je gespielt habe, und dass an diesem Abend dennoch weniger Leute da gewesen seien als bei den Hochzeiten, auf denen er gewesen sei – ein vielsagender Kommentar zur intimen Kulturszene des Dorfes.

Architektonische und natürliche Highlights

Der ultimative Anblick ist das Dorf selbst: Reihen niedriger Bauernhäuser mit Reetdächern, jedes auf einer eigenen kleinen Insel, verbunden durch Dutzende hölzerner Fußgängerbrücken mit Bögen. Tatsächlich überspannen etwa 176 Holzbrücken die Kanäle von Giethoorn. Viele Häuser stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert und sind im klassischen „Peatlands“-Stil erbaut (einfache rechteckige Backsteinhäuser mit Reetdächern und grünen Fensterläden). Die Wasserwege sind alle bemerkenswert sauber und von üppigen Gärten mit Hortensien und Funkien gesäumt, die jeden Frühling und Sommer eine lebendige Galerie bilden. Jenseits des Dorfes grenzt Giethoorn an den Nationalpark Weerribben-Wieden (≈105 km²) – ein ausgedehntes Marschland mit Seen, Mooren und Schilfgebieten. Hier kann man Otter beobachten, die in die Kanäle schlüpfen, Trauerseeschwalben und Haubentaucher auf dem Wasser oder Reiher, die am Ufer nach Fischen jagen. Touristen können Ruderboote oder Kanus mieten und lautlos auf schmalen Nebenflüssen ins wilde Marschland gleiten oder auf den Uferwegen oberhalb des Schilfs Rad fahren. Im Winter, wenn die Kanäle zufrieren, verwandelt sich Giethoorn in ein Paradies für Schlittschuhläufer; die Einheimischen bauen sogar Eishütten und graben Kanäle in das schmelzende Eis. Das ganze Jahr über verleiht die Harmonie von Haus, Kanal und Garten Giethoorn den Charakter eines „verzauberten Dorfes“.

Abseits der ausgetretenen Pfade

Giethoorn ist zwar bekannter geworden, wirkt aber immer noch versteckt. Das Dorf liegt abseits der großen Verkehrswege – die nächste Autobahn ist mehrere Kilometer entfernt – und war bis vor wenigen Jahrzehnten hauptsächlich niederländischen Reisenden ein Begriff. Seine Abgeschiedenheit (keine Durchgangsstraßen) trägt zur Ruhe bei: Autos sind aus der Altstadt verbannt. Giethoorns begrenzte Einrichtungen für Besucher (einige Bootsverleihe, Fahrradverleihe und familiengeführte Gasthöfe) bedeuten, dass selbst im Sommer hier gemächlich vorgegangen wird. Man sieht selten Reisebusse durch die engen Dorfstraßen fahren; die meisten Touristen kommen im Rahmen geführter Bootstouren oder mit dem Fahrrad aus nahegelegenen Städten wie Steenwijk. Diese unscheinbare Natur macht es im Sinne von unauffällig „unentdeckt“: Während Instagram voll von Bildern davon ist, ist der Ort der großflächigen Kommerzialisierung entgangen. Besucher planen in der Regel eine Übernachtung ein, um die frühen Morgen- oder Abendstunden auf dem Wasser zu genießen, wenn die Kanäle neblig und nahezu frei von anderen Booten sind.

Verantwortungsvolle Erkundung

Reisende nach Giethoorn sollten sich rücksichtsvoll verhalten. Da die Kanäle die einzigen „Straßen“ sind, müssen Bootsfahrer die Geschwindigkeitsbegrenzungen (5 km/h) einhalten, um Ufererosion und Kielwasserschäden an Häusern zu vermeiden. Einige Anbieter verlangen elektrische oder geräuscharme Motorboote, die empfohlen werden, um Lärm und Kraftstoffverlust zu minimieren. Pilger zu Fuß werden gebeten, Fußgängerbrücken korrekt zu benutzen und private Gärten nicht zu betreten. Die Abfallentsorgungsmöglichkeiten im Dorf sind begrenzt, daher ist das Mitnehmen von Plastik und Recycling unerlässlich. Im Frühling sollten Wildblumen an den Kanalrändern bewundert und nicht gepflückt werden. Schließlich trägt die Unterstützung lokaler Unternehmen – zum Beispiel durch den Genuss holländischer Pfannkuchen in einem Café am Kanal oder den Kauf von Kunsthandwerk – dazu bei, dass der Tourismus Giethoorn zugutekommt, ohne seinen Charakter zu zerstören. Mit respektvollem Verhalten können Besucher die Ruhe Giethoorns genießen, ohne den Rhythmus des Lebens auf dem Wasser zu stören.

Maribor, Slowenien: Ein verstecktes Juwel der Alten Welt

Maribor-Slowenien

Die Lage Maribors am Fluss vor der Kulisse des Pohorje-Gebirges verleiht der Stadt einen malerischen Charme. Sloweniens zweitgrößte Stadt (ca. 96.000 Einwohner) liegt an der Drau, wo üppige Weinberge sich von den Hängen erstrecken. Anders als die bekannteren Hauptstädte Ljubljana oder Bled wird Maribor von all jenen geflüstert, die das Flair der alten Welt Österreich-Ungarns suchen. Seine Geschichte reicht mindestens bis ins 12. Jahrhundert zurück: 1164 wurde es erstmals als Burg erwähnt und 1254 als Stadtrecht verliehen. Jahrhundertelang war Maribor (deutsch Marburg an der Drau) eine strategische Grenzfestung der Habsburger in der Untersteiermark. Es überstand mittelalterliche Belagerungen durch die Osmanen und wurde zu einer geschäftigen Regionalhauptstadt. Im Oktober 1918 sicherten slowenische Partisanen unter Rudolf Maister Maribor für den neuen Staat der Slowenen, Kroaten und Serben und heute ist die Stadt ein stolzer Mittelpunkt slowenischer Kultur und Weinherstellung.

Historisches Erbe

Mittelalterliche Stein- und barocke Ziegelbauten zeugen von Maribors Vergangenheit. Gotische Bauwerke – allen voran die Johannes-der-Täufer-Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert – prägen den Kern der Altstadt. Die angrenzende Synagoge (erbaut im 14. Jahrhundert) ist eine der ältesten erhaltenen Synagogen Europas und beherbergt heute kulturelle Ausstellungen. Die Stadtmauern sind größtenteils verschwunden, drei Türme sind jedoch erhalten: der gelbe Gerichtsturm, der rote Wasserturm und ein gemauerter Judenturm – Überreste der Stadtbefestigung. Die Burg Maribor (heute ein Museum) umfasst Fundamente aus dem 15. Jahrhundert; ebenso finden sich über die Stadt verteilt Burgruinen auf dem Pyramidenhügel (die sogar noch älter aus der fränkischen Zeit stammen). In der Renaissance wurde das Rathaus im großen Stil wiederaufgebaut (seine Arkaden rahmen noch heute den Glavni trg, den Hauptplatz). Ein markantes barockes Wahrzeichen ist die Dreifaltigkeitssäule (Pestsäule) (1660) in der Mitte des Platzes, die als Dank für das Überleben einer Epidemie errichtet wurde. Die Wende zum 20. Jahrhundert brachte modernes Wachstum: Die Nationalhalle (1899) läutete Maribors wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg ein, und ein junger Ingenieur namens Nikola Tesla arbeitete hier 1878–79 sogar an elektrischen Anlagen. Maribor ertrug später die Konflikte des Zweiten Weltkriegs und die jugoslawische Herrschaft, doch viele historische Denkmäler (nach sorgfältiger Restaurierung) überlebten bis in die Unabhängigkeit Sloweniens.

Kulturelles Leben und Kulinarik

Das moderne Maribor pflegt sein Erbe mit einer lebendigen Kulturszene. Die Altstadt ist größtenteils autofrei geworden und auf Plätzen und Straßen finden farbenfrohe Festivals statt. Zweimal jährlich feiert Maribor als Kulturhauptstadt Europas (2012 trug sie den Titel gemeinsam mit Guimarães), Literatur, Musik und Kunst. Seit 2020 ist die Stadt jedoch auch für ihre Gastronomie bekannt: Mehrere Restaurants in Maribor wurden 2020 mit Michelin-Sternen ausgezeichnet, und 2021 wurde Slowenien (mit Maribor als Aussteller) zur Europäischen Gastronomieregion ernannt. Die lokale Küche vereint alpine und balkanische Aromen: Sie finden herzhafte Gerichte wie Bograč (Eintopf ähnlich dem ungarischen Gulasch), Kisla Juha (Kohlsuppe) und Štruklji (mit Estragon, Walnüssen oder Käse gefüllte Teigtaschen). Die Märkte sind voll mit Kürbiskernen (die in lokalem Gebäck und Pestos verwendet werden) und aromatischen Wildkräutern. In den Bäckereien werden noch immer Roggenbrot und süße Nusstorten gebacken (im Sommer duftet es nach marmeladengefüllter Potica). Maribors Weinkultur ist legendär – das Drautal ist Sloweniens größte Weinregion. Jeden November wird der Martinstag mit lokalem Wein und Prozessionen gefeiert, um die jahrhundertealte Weinbautradition zu ehren. Tourismus umfasst mittlerweile auch kulinarische Touren: Besucher probieren Cviček (eine leichte Rotweinmischung), Rebula-Weißweine und Brioche-Desserts. Englisch ist weit verbreitet, und Slowenisch (eine slawische Sprache) wird von älteren Gastgebern verstanden; deutsche und italienische Speisekarten sind aufgrund Maribors Lage an einem europäischen Knotenpunkt üblich.

Architektonische und natürliche Highlights

Die Skyline von Maribor ist anmutig mit historischen Kirchtürmen und grünen Hügeln. Die mittelalterliche Kathedrale mit ihrem schlanken gotischen Turm ist nach wie vor ein Wahrzeichen der Stadt. In der Nähe steht das alte Synagogengebäude, das heute für Konzerte umgenutzt wird. Das barocke Rathaus (1662) und pastellfarbene Kaufmannshäuser säumen den Glavni trg. Unten an der Drau enthüllen die Straßen am Flussufer österreichisch-ungarische Backsteinhäuser, die Synagoge aus dem späten 19. Jahrhundert (heute Kulturzentrum) und das elegante Haus der Alten Rebe am Lent. Dieses am Fluss gelegene Viertel Lent ist weltberühmt als Heimat der Stara trta, der ältesten noch ertragreichen Rebe der Welt (über 400 Jahre alt), die angeblich vom Tempelritterorden gepflanzt wurde. Besucher können den Weinkeller Vinag besichtigen, einen unterirdischen Fasskeller aus dem 18. Jahrhundert, der Sloweniens reichste Weinsammlung beherbergt. Ein kurzer Spaziergang führt zur Draupromenade und dem berühmten Lent-Festivalgelände. Auf der anderen Seite des Flusses führt eine Seilbahn zum historischen Kalvarienberg, von wo aus man einen Panoramablick auf die Stadt und den Kreuzweg genießen kann. Naturliebhaber können das Pohorje-Gebirge direkt vor der Stadt erkunden: Im Sommer erwarten Sie smaragdgrüne Wälder und Almen, im Winter erstrecken sich die nahegelegenen Skipisten (Maribor Pohorje ist Austragungsort von Weltcuprennen). Die Drau selbst ist sauber und schnell fließend – im Spätfrühling fahren Einheimische manchmal mit dem Floß oder Kajak durch die Stadt.

Abseits der ausgetretenen Pfade

Maribor bleibt vor allem deshalb „unentdeckt“, weil es außerhalb des touristischen Dreiecks (Ljubljana–Bled–Piran) liegt. Ausländische Reisebusse kommen selten hierher; es sind vor allem slowenische Besucher und eine wachsende Zahl von Nischenreisenden, die hierherkommen. Doch Maribor hat echte Vorzüge. Das autofreie Zentrum lädt zum Flanieren ein, besonders in der Jahreszeit, wenn sich die Weinblätter von Grün zu Gold verfärben. Anders als berühmtere Hauptstädte geht es in Maribor angenehm entspannt zu – selbst nachts hört man Akkordeonmusik aus einem Straßencafé oder sieht Einheimische, die bei Kerzenschein ihr Bier trinken. Dank der überschaubaren Größe kann man die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an einem Wochenende besichtigen und sich anschließend in eine Pension inmitten der Weinberge zurückziehen. Der Reiz der Stadt als verstecktes Juwel verdankt sich auch ihrer unaufdringlichen Selbstdarstellung: Man findet keine monumentalen Souvenirläden, dafür aber gesellige Bauernmärkte (eine Wiederbelebung mittelalterlicher Traditionen) und moderne Kunstinstallationen, die eine jugendliche, urbane Kultur widerspiegeln. Kurz gesagt: Maribor taucht langsam auf dem Radar der „coolen Reisebranche“ auf, fühlt sich aber immer noch frisch an und ist noch nicht von Touristen überlaufen.

Verantwortungsvolle Erkundung

Besucher sollten Maribor wie das Zuhause eines alten Freundes behandeln: wann immer möglich zu Fuß oder mit dem Fahrrad (die Altstadt ist kompakt und größtenteils autofrei). Kaufen Sie Wein direkt bei Genossenschaften und kleinen Winzern, um die lokalen Produzenten zu unterstützen. Übernachten Sie in familiengeführten Pensionen oder Öko-Lodges statt in multinationalen Ketten, um die Einnahmen aus dem Tourismus in der Gemeinde zu halten. Respektieren Sie die Abendruhe in alten Vierteln (viele Slowenen essen früh zu Abend). Bleiben Sie beim Wandern im Pohorje-Gebirge oder in den Weinbergen auf markierten Wegen, um die empfindliche subalpine Flora zu schützen. Achten Sie in der Lent-Region und in den Uferparks auf Müll – die Drau ist sauberer als die meisten Flüsse so weit im Norden, und die Einheimischen sorgen dafür, dass das auch so bleibt. Indem Sie lokal essen, öffentliche Verkehrsmittel (einschließlich eines modernen Obus-Systems) nutzen und ein paar slowenische Höflichkeiten sprechen (sogar „Hallo“ – dobrodošli), können Touristen aktiv mit der Stadt in Kontakt treten und einen positiven Eindruck in Maribors einladenden Straßen hinterlassen.

Meknes, Marokko: Das unentdeckte Juwel der Königsstädte

Meknes-Marokko

Das grandiose Bab-Mansour-Tor von Meknès weist auf die kaiserliche Vergangenheit der Stadt hin. Meknès liegt auf einer Höhe von 546 m in einer Hochebene nördlich des Atlasgebirges und ist Marokkos sechstgrößte Stadt (ca. 632.000 Einwohner) und neben Marrakesch, Fès und Rabat eine der vier „Kaiserstädte“. Dennoch wird Meknès oft übersehen. Seine Ehre erlangte die Stadt im 17. Jahrhundert unter Sultan Moulay Ismail (Regierungszeit 1672–1727), der Meknès zu seiner Hauptstadt erwählte und sie mit opulenten Palästen, Moscheen und enormen Toren schmücken ließ. Der Herrscher versuchte sogar, mit Versailles zu konkurrieren, indem er Meknès das „Marseille Marokkos“ nannte – sein Elan war jedoch einzigartig maghrebinisch. Heute verfügt die Stadt über eine überraschend gut erhaltene alte Medina und Kasbah, die eine seltene Mischung andalusischer, maurischer und saadischer Baustile widerspiegelt. Im Jahr 1996 wurde die historische Stadt Meknes von der UNESCO für dieses Erbe ausgezeichnet, dennoch scheint die Stadt auf den meisten Touristenrouten noch immer abseits zu liegen.

Historisches Erbe

Die urkundliche Gründung Meknès geht auf die Almoraviden-Dynastie des 11. Jahrhunderts zurück, die die Stadt als befestigtes Lager errichtete. Unter den Almohaden entwickelte sie sich später zu einem wichtigen Landwirtschafts- und Handelszentrum. Meknès‘ goldenes Zeitalter begann jedoch im 17. Jahrhundert. Sultan Moulay Ismail, Gründer der Alawiten-Dynastie, machte Meknès 1672 zu seiner Hauptstadt. 50 Jahre lang beging er einen Baurausch: Er errichtete einen riesigen Hri-Souani-Kornspeicher und Ställe für seine 12.000 Pferde, Dutzende kunstvoll verzierte Mausoleen und monumentale Tore, die noch heute stehen. Bab Mansour, fertiggestellt 1732, diente als zeremonieller Eingang zum königlichen Bezirk. Ismails Projekte umgaben die alte Medina mit drei Mauerringen und machten Meknès zu einer der am stärksten befestigten Städte Marokkos. Sein Erbe umfasste die Einbeziehung europäischer Elemente (Architekten aus Andalusien) in den französisch-maurischen Stil – das Ergebnis ist ein Stadtbild mit Hufeisenbögen, Zellij-Fliesenarbeiten, Zedernholzschnitzereien und imposanten Zinnenmauern. Nach Ismails Tod wurde Meknes von Fès verdrängt, blieb aber ein Kaisersitz; später diente es als Hauptquartier unter französischer Kolonialherrschaft. In der Zeit der Unabhängigkeit (nach 1956) behielt Marokko Meknes als Regionalhauptstadt und bewahrte die prachtvollen Eingänge wie Bab Mansour und den nahegelegenen Place el-Hedim.

Kulturelles Leben und Kulinarik

In Meknès werden marokkanisches Arabisch (Darija) und Französisch gesprochen, was die frankophonen Schulen und die Geschichte der Stadt widerspiegelt. Die Berbersprachen (von den lokalen Stämmen Aït Atta und Miknassa) sind in der Stadt weitgehend verschwunden, obwohl bei traditionellen Musikfestivals manchmal Amazigh-Gruppen auftreten. Der Name der Stadt selbst geht auf den Amazigh-Stamm Miknasa zurück. Die Kultur von Meknès ist eine Mischung arabischer und andalusischer Einflüsse: Klassische Musik (Malhoun-Poesie) und Sufi-Rituale sind Teil kultureller Veranstaltungen und Kunsthandwerk wie Zellij-Ziegel und Lederarbeiten florieren in den Souks der Medina. Die Küche hier ist ein Sinnbild marokkanischer Aromen: Tajines vom Lamm mit Pflaumen oder Oliven, Couscous mit sieben Gemüsesorten und herzhafte Harira-Suppe sind Grundnahrungsmittel. Eine lokale Spezialität ist Pastilla – ein Blätterteigkuchen, der oft mit Taube oder Huhn gefüllt ist. Zu den typischen Gerichten gehören eingelegte Zitronen, Kreuzkümmel, Koriander und süßer Zimt. Zu den Straßengerichten gehören Sfenj (marokkanische Donuts) und Kebda (gewürzte Leberspieße). Aufgrund der ländlichen Umgebung von Meknes findet man auch frische Oliven, Nüsse und Orangenblüten. Wie in ganz Marokko wird das Essen oft gemeinsam auf großen runden Tabletts serviert; nach dem Essen wird als Zeichen der Gastfreundschaft Minztee gereicht.

Architektonische und natürliche Highlights

Die Altstadt (Medina) von Meknes gehört aus gutem Grund zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ihr berühmtestes Denkmal, Bab Mansour (ca. 1732), ist ein gewaltiges, verziertes Tor mit elfenbeinfarbenen Zellij und geritzten Stuckpaneelen. In der Nähe befindet sich der Place el-Hedim, ein breiter Platz, der oft mit dem Jemaa el-Fna in Marrakesch verglichen wird, aber weitaus ruhiger ist – Einheimische treffen sich hier in Cafés oder Straßenmusikanten treten in der Abenddämmerung auf. Hinter diesem Tor liegt die alte königliche Kasbah: Palastruinen, Moscheen und üppige Gärten (die selbst heute noch hinter hohen Mauern verborgen sind). Von besonderem Interesse ist das Mausoleum von Moulay Ismail (1680er), ein kunstvoll gefliester und vergoldeter Schrein, in dem der Sultan selbst begraben liegt; es ist außerhalb der Gebetszeiten für Besucher geöffnet. Weitere Kulturerbestätten sind der Sbaat-Palastkomplex, ausgedehnte städtische Getreidespeicher und der Sahrij Swani (ein großer Stausee), der einst die Gärten des Palastes speiste. Die Überreste eines Borj (Festungsturms) aus dem 14. Jahrhundert überblicken die Stadt von einem nahegelegenen Hügel aus. Außerhalb der Medina steht der Palast Dar al-Makhzen (königliche Residenz aus dem 19. Jahrhundert). Die Architektur von Meknes verbindet harmonisch islamische und europäische Elemente – dicke Stadtmauern und Minarette neben von Ludwig XIV. inspirierten Löwenstatuen auf Torpfosten.

Auch die Natur ist reizvoll. Nördlich der Medina liegen die Weinberge von Meknes in der fruchtbaren Saïss-Ebene, die Weltklasse-Weine (Appellation Coteaux de l'Atlas) hervorbringt. Nur eine kurze Autofahrt entfernt liegen die Eichenwälder am Fuße des Mittleren Atlas – hier picknicken viele Menschen an Bächen in den Azrou-Zedernwäldern. Selbst innerhalb der Stadt bieten Parks wie der Lalla 'Aouda-Garten (aus dem 18. Jahrhundert) schattige Plätze mit Orangenbäumen und Springbrunnen.

Abseits der ausgetretenen Pfade

Die Größe von Meknes blieb im Dunkel der Geschichte verborgen. Jahrzehntelang strömten Touristen stattdessen auf die Plätze Marrakeschs, in das Labyrinth der Medina von Fès oder zu den kaiserlichen Monumenten Rabats. Meknes musste sich im Vergleich geschlagen geben: Die Stadt besitzt keinen internationalen Flughafen und wurde bis vor Kurzem von Reiseveranstaltern weitgehend gemieden. Auch heute noch wirkt die Stadt unterbewertet; die meisten Reiseführer erwähnen sie nur am Rande als Tagesausflugsziel von Fès (45 km östlich). Doch wer verweilt, findet eine überraschend leere Altstadt (ohne lange Schlangen oder Schlepper) und ein Gefühl von Authentizität. Die stille Erhabenheit von Bab Mansour, die Stille der königlichen Gärten bei Sonnenuntergang, die Abwesenheit des Massentourismus – all das macht Meknes zu einer Entdeckung, die man genießen sollte.

Verantwortungsvolle Erkundung

Reisen Sie verantwortungsbewusst in Meknès und respektieren Sie die lokalen Gepflogenheiten. Kleiden Sie sich in der Medina dezent, bedecken Sie Schultern und Knie beim Besuch von Moscheen oder Schreinen und sprechen Sie leise zu Gebetszeiten. Nutzen Sie Führungen zu heiligen Stätten – beispielsweise dürfen Nicht-Muslime das Mausoleum von Moulay Ismail nur in Begleitung eines Führers betreten. Halten Sie in der Medina Ausschau nach vertrauensvollen Einheimischen, die Ihnen mit historischen Sehenswürdigkeiten etwas Geld verdienen (geben Sie ihnen immer ein Trinkgeld, wenn sie sich die Mühe machen). Handeln Sie höflich im Souk; Feilschen ist üblich, aber vermeiden Sie es, andere zu beleidigen. Fragen Sie beim Fotografieren immer zuerst und überlegen Sie, ob Sie Trinkgeld geben. Um die lokale Wirtschaft zu unterstützen, kaufen Sie Kunsthandwerk (Zellij-Keramik, Lederwaren, Babouches) von seriösen Kooperativen und Kunsthandwerkern. Vermeiden Sie Wasserflaschen und Einwegplastik und nehmen Sie eine wiederbefüllbare Flasche mit. Und vor allem: Bewegen Sie sich langsam: Meknes offenbart seine Schätze am besten bei gemütlichen Nachmittagsspaziergängen, einem freundlichen Lächeln und einem Vorgeschmack auf das langsame marokkanische Leben.

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