In Rio de Janeiros Stadtteil Maracanã liegt ein legendärer Fußballtempel. Das Estádio do Maracanã wurde am 16. Juni 1950 als Austragungsort des FIFA-Weltpokals-Finales eröffnet, in dem Brasilien vor offiziell 173.850 Zuschauern bekanntlich mit 1:2 gegen Uruguay verlor. Dieses erste Spiel begründete einen unauslöschlichen Mythos: Rund 200.000 Brasilianer füllten die Ränge, entfachten die nationale Erinnerung an das „Maracanazo“ und machten das Stadion zu einem Symbol der Euphorie und der Verzweiflung zugleich. Der Entwurf stammte ursprünglich von einem Team brasilianischer Architekten (darunter Waldir Ramos und Pedro Paulo Bernardes Bastos), und der Bau dauerte knapp zwei Jahre. Die Ingenieure errichteten eine klassische Hufeisenform mit markanten geschwungenen Tribünen, inspiriert von modernistischen Entwürfen der 1930er-Jahre, beispielsweise De Kuip in Rotterdam. Bei der Eröffnung hatte Maracanã das größte Fassungsvermögen der Welt (über 200.000 Zuschauer, wenn Stehplätze eingerechnet sind). Das rechteckige Spielfeld misst 105 m × 68 m, doch die anfänglichen Zuschauermengen überstiegen oft die Anzahl der Sitzplätze, sodass es zu einem riesigen Menschenmeer wurde. Ursprünglich bestand das Stadion aus einfachem Beton, doch nach Jahrzehnten der Abnutzung erhielt es nach und nach überdachte, freitragende Ränge und moderne Annehmlichkeiten. Bei einer umfassenden Renovierung (2010–2013) wurde ein Großteil des Daches durch eine Polyestermembran ersetzt und Sitzplätze hinzugefügt, wodurch die Kapazität bis 2014 auf etwa 73.000 Plätze reduziert wurde.
Die Architektur des Maracanã ist eine Mischung aus heroischer Größe und tropischer Zweckmäßigkeit. Am Eröffnungstag wurde es als technisches Wunderwerk gefeiert, das unübertroffene Zuschauerzahlen beherbergen konnte. Im Laufe der Zeit wurde es durch nahezu kontinuierliche Modernisierungen weiterentwickelt: Über jedem Rang spannen Stahlausleger ein Leichtbaudach, und für die Fußballweltmeisterschaft 2014 wurden Suiten und Medieneinrichtungen installiert. Das aktuelle Erscheinungsbild ist ein ovaler Ring, der sich über der Mitte des Spielfelds zum Himmel hin öffnet. Mit seinen graffitifarbenen Sitzblöcken und den kippbaren Oberrängen spiegelt es die lebendige Kultur Rios wider. Administrativ gehört es der Landesregierung, wird jedoch von den beiden Hauptmietervereinen Fluminense und Flamengo betrieben. Diese Vereine (und die örtlichen Fans) verwalten das Stadion praktisch gemeinsam als ihre Heimspielstätte. 1966 wurde es zu Ehren eines Journalisten, der sich für seinen Bau eingesetzt hatte, in „Mário Filho Stadium“ umbenannt, doch der volkstümliche Name „Maracanã“ – abgeleitet vom Fluss und einem Tupi-Wort für eine Papageienart – hat sich bis heute gehalten. Der Legende nach trägt das Stadion von Roter Stern Belgrad zu Ehren dieses Fußballheiligtums sogar den Spitznamen „Marakana“.
Kulturell ist das Maracanã viel mehr als nur Backstein und Stahl. Es ist Brasiliens große Bühne für emotionale Höhen und Tiefen. In den ersten Jahrzehnten fand hier fast jedes große brasilianische Fußballereignis statt: Endspiele der Fußball-Weltmeisterschaften (1950, 2014), Endspiele der Copa Libertadores, Staatsderbys und Fla-Flu-Duelle. Es war Austragungsort von 28 internationalen Endspielen, darunter das Fla-Flu-Derby von 1963 mit unglaublichen 194.603 Zuschauern (ein Weltrekord im Vereinsfußball). Die brasilianische Nationalmannschaft und Rios „vier große“ Vereine (Flamengo, Fluminense, Botafogo, Vasco) spielten in den folgenden Jahrzehnten unter seinen Fluten. 2016 verstummte die Welt, als während der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele ein einziges Fußballspiel im Maracanã stattfand, während die Leichtathletik-Wettkämpfe im Olympiastadion stattfanden. 2014 hallte es bei den Endspielen der Konföderationen und der Fußball-Weltmeisterschaften von den Zuschauern wider. Abseits des Spielfelds dienten die Stufen und Bögen des Maracanã als Kulisse für Konzerte von Weltstars. Für die Bürger Rios ist es ein kulturelles Wahrzeichen, das Fußball, Musik und sogar urbane Legenden miteinander verbindet. Im März 2021 beschloss der Landtag, das Stadion zu Ehren von Pelé, Brasiliens größtem Spieler, umzubenennen, was seinen Status als Kultstätte der brasilianischen Fußballgeschichte widerspiegelt. In all seinen Formen symbolisiert das Maracanã Brasiliens Leidenschaft für das schöne Spiel.
Das Stadion wird heute noch aktiv genutzt, wenn auch in kontrollierterer Form. Seit dem Umbau 2013–14 entspricht es modernen Sicherheitsstandards und bietet rund 73.000 Sitzplätze. Der Rasen befindet sich in Weltklassequalität und im Stadion finden regelmäßig internationale Endspiele und große Konzerte statt. Es war Austragungsort der Endspiele der Fußballweltmeisterschaft 2014 und des Confederations-Cup-Finales 2013 und wird voraussichtlich 2027 das Finale der Frauen-Weltmeisterschaft ausrichten. Zudem diente es als Austragungsort der Zeremonien der Olympischen und Paralympischen Spiele 2016. Außerhalb der Saison bleibt es ein Symbol der urbanen Kultur Rios – bedeckt mit Straßenkunst und für Führungen geöffnet. Die Renovierung, die letztlich rund 425 Millionen Euro kostete, verlieh dem Maracanã modernen Komfort (Aufzüge, VIP-Räume), bewahrt aber dennoch das offene Flair der alten Schule. Es fehlt zwar an der tektonischen Dramatik des Wembley-Bogens oder der Fassade der Allianz Arena, doch die Aura des Maracana ist spürbar: Wer unter dem Himmel Rios in die Betonschüssel tritt, spürt noch immer die Energie vergangener Triumphe. Sein heute relativ bescheidenes Fassungsvermögen lässt die Größe seines Erbes nicht erahnen; für viele ist das Maracana das spirituelle Herz des brasilianischen Fußballs.